Anatomie des Auges

Augen-Anatomie und “Sehbahn”

Die Sinne des Men­schen dürf­ten jedem bekannt sein. Dazu gehö­ren Rie­chen, Sehen, Schme­cken, Tas­ten und Hören. Bis vor Kur­zem wurde ange­nom­men, dass der Mensch nur diese fünf Sinne hat. Mitt­ler­weile weiß man, dass es eher an die zehn Sinne sind. Zum Bei­spiel zäh­len auch Tem­pe­ra­tur­emp­fin­den und die Pro­prio­zep­tion, also die Wahr­neh­mung der eige­nen Bewe­gung und Posi­tion im Raum dazu. Unsere Sinne sor­gen dafür, dass wir unsere Umwelt mit all ihren Facet­ten wahr­neh­men und auf sie reagie­ren kön­nen. Ein ganz beson­ders wich­ti­ges Sin­nes­or­gan ist unser Auge, wel­ches wir nun genauer unter die Lupe nehmen. 

Augenlid, Tränendrüsen und Hornhaut

Das Auge wird von der knö­cher­nen Augen­höhle umge­ben, wel­che beson­ders wich­tig für den Schutz des Auges ist. Die Augen­li­der und die Trä­nen­drü­sen hel­fen dabei, es vor Fremd­kör­pern zu schüt­zen. Fliegt zum Bei­spiel ein Ball auf uns zu, erfolgt auto­ma­tisch der Lidschluss.

Anatomie des Auges
Ana­to­mie des Auges

Die Trä­nen­drü­sen pro­du­zie­ren ein Sekret, wel­ches die Augen feucht hält und mit Immun­zel­len ver­sorgt. Der Blin­zel-Reflex ver­teilt die­ses über das gesamte Auge.

Übri­gens: Die Horn­haut erhält wie einige wenige andere Struk­tu­ren im Kör­per keine direkte Blut­ver­sor­gung. Sie bekommt den benö­tig­ten Sau­er­stoff und die Nähr­stoffe über einen Dif­fu­si­ons­aus­tausch mit dem Trä­nen­film und dem Kam­mer­was­ser. Daher sollte man bei­spiels­weise Kon­takt­lin­sen nicht zu lange am Stück tra­gen. Sonst kann es pas­sie­ren, dass das Auge nicht rich­tig „atmet“ (4).

Die Augenhäute

Schaut man von außen auf das Auge, fällt zunächst der weiße Anteil, die soge­nannte Sklera oder Leder­haut, auf. Diese bil­det zusam­men mit der Horn­haut die äußere Augen­haut. Die Ader­haut oder Cho­ro­idea bil­det zusam­men mit der Iris die mitt­lere Augenhaut.

Die Iris, auch Regen­bo­gen­haut genannt, ist der far­bige Teil des Auges. Welt­weit haben etwa 90% der Men­schen braune Augen, wäh­rend grüne Augen nur bei etwa 2% der Welt­be­völ­ke­rung zu fin­den sind (3). Die Netz­haut, oder Retina, bil­det schließ­lich die innere Augen­haut. Hier wird das von den Augen wahr­ge­nom­mene Bild in elek­tri­sche Impulse umge­wan­delt, wel­che zum Gehirn wei­ter­ge­lei­tet werden.

Umgangs­sprach­li­cher NameFach­be­griff
Horn­hautCor­nea
Leder­hautSklera
Ader­hautCho­ro­idea
Regen­bo­gen­hautIris
Netz­hautRetina
Tabelari­sche Dar­stel­lung der Augenhäute

Augapfel, Linse und Augenmuskeln

Der eigent­li­che Aug­ap­fel wird in drei Augen­kam­mern ein­ge­teilt. Die Linse teilt die vor­dere und hin­tere Augen­kam­mer von­ein­an­der. Sie sind mit dem soge­nann­ten Kam­mer­was­ser gefüllt, wel­ches den Augen­in­nen­druck auf­recht­erhält. Ein zu hoher Druck kann zu Glau­ko­men füh­ren, wel­che unter dem Namen Grü­ner Star bekannt sind. Diese beein­träch­ti­gen die Seh­fä­hig­keit nachhaltig.

Anatomie des Augapfels

Die Camera vitrea stellt die dritte Augen­kam­mer dar und wird von dem Glas­kör­per voll­stän­dig aus­ge­füllt. Neben den genann­ten Struk­tu­ren ver­fügt das Auge über ver­schie­dene Augen­mus­keln. Diese sor­gen nicht nur für die Bewe­gung des Auges sel­ber, son­dern dar­über hin­aus auch für die rich­tige Akkom­mo­da­tion. Hier­bei wird die Krüm­mung der Linse ent­we­der durch Ent­span­nung ver­stärkt oder durch Anspan­nung ver­rin­gert. Das erlaubt, sowohl weit ent­fernte als auch nah gele­gene Objekte scharf zu sehen.

Die Pupille, also die runde Öff­nung in der Mitte der Iris, ver­än­dert ihre Größe abhän­gig von den Licht­ver­hält­nis­sen. Fällt viel Licht auf das Auge, wird sie klei­ner, wäh­rend sie sich bei schlech­te­ren Licht­ver­hält­nis­sen wei­tet, um das wenige Licht ein­zu­fan­gen (1,2).

Die Bestandteile des Auges

Das Auge besteht im Wesent­li­chen aus den Augen­häu­ten, der Linse, dem Glas­kör­per und den Augen­mus­keln. Die Augen­häute sind von außen nach innen die Leder- und Horn­haut, die Ader- und Regen­bo­gen­haut und die Netz­haut. Sie bil­den die Außen­hülle des Auges und glie­dern es in die Augenkammern.

Der Glas­kör­per füllt die hin­tere Augen­kam­mer und ver­leiht dem Auge seine Form. Die Augen­mus­keln die­nen der Bewe­gung des Auges und der Akkommodation.

Vom Photon zum gesehenen Bild

Um visu­elle Ein­drü­cke wahr­zu­neh­men und zu inter­pre­tie­ren, erbrin­gen unser Auge und das Gehirn eine ordent­li­che Leis­tung. Der Pro­zess des Sehens beginnt, wenn Licht auf unser Auge fällt. Es besteht aus einem Strom an Licht­teil­chen, wel­che auch Pho­to­nen genannt wer­den. Um hin­ter­her ein kla­res Bild zu erhal­ten, muss es durch die ver­schie­de­nen Struk­tu­ren des Auges zunächst ein­mal gebro­chen werden.

Dies wird durch die Linse und die Horn­haut, den Glas­kör­per und die vor­dere und hin­tere Augen­kam­mer erreicht. Die Licht­bre­chung sorgt dafür, dass auf der Netz­haut ein ver­klei­ner­tes und auf dem Kopf ste­hen­des Bild ent­steht. Hier erfolgt eine erste Ver­ar­bei­tung der Licht­reize, wel­che hin­ter­her an das Gehirn wei­ter­ge­lei­tet werden.

Stäbchen und Zapfen – die Fotosensoren

Ist die Umge­bung gut aus­ge­leuch­tet, kön­nen wir bes­ser sehen. In der Dun­kel­heit fällt es uns dage­gen schwe­rer, Objekte scharf wahr­zu­neh­men. Haben sich die Augen erst ein­mal an die Dun­kel­heit gewöhnt, neh­men wir zumin­dest Umrisse und Schat­ten wahr.

Diese Fähig­keit ver­dan­ken wir unse­ren Foto­sen­so­ren, den Stäb­chen und Zap­fen in der Netz­haut. Die Stäb­chen sor­gen für das Sehen bei Nacht, die Zap­fen las­sen uns Far­ben erken­nen. Sie sind für das Sehen bei Tages­licht zuständig.

Von der Netzhaut ins Nervensystem

Nach­dem die Foto­sen­so­ren ein­ge­hende Signale ver­ar­bei­tet haben, wer­den diese an wei­tere Ner­ven­zel­len im Inne­ren der Netz­haut wei­ter­ge­lei­tet. Diese sam­meln sich am soge­nann­ten blin­den Fleck und tre­ten als Seh­nerv aus dem Aug­ap­fel aus.

Der blinde Fleck ist ein ganz nor­ma­ler Gesichts­feld­aus­fall, wel­chen wir aller­dings im All­tag nicht bemer­ken. Unser Gehirn ergänzt den feh­len­den Teil des Bil­des ein­fach mit­hilfe der Ein­drü­cke des ande­ren Auges. So wie unsere Augen liegt der Nerv paa­rig vor.

Vom blin­den Fleck aus tritt er in die Schä­del­höhle ein. Kurz dar­auf kreu­zen sich einige der Ner­ven­fa­sern im Chi­asma opti­cum, also der Seh­kreu­zung, auf die gegen­über­lie­gende Seite. Das Sehen ist ein sehr kom­ple­xer Pro­zess und erfor­dert die Ver­ar­bei­tung in meh­re­ren Hirnarealen.

Außer­dem reicht es nicht, die Umge­bung nur mit­hilfe der Augen wahr­zu­neh­men. Für eine Wahr­neh­mung der Umwelt müs­sen die Ein­drü­cke aller Sinne mit­ein­an­der ver­knüpft wer­den. Daher arbei­ten die ver­schie­de­nen Berei­che des Gehirns nicht alleine, son­dern ste­hen immer in enger Zusam­men­ar­beit mit­ein­an­der. Nach der Über­kreu­zung der Ner­ven im Chi­asma opti­cum wer­den die Ein­drü­cke zunächst im Zwi­schen­hirn ver­schal­tet, um letzt­lich ins Groß­hirn zu gelangen.

Die Sehrinde – das Sehzentrum des Körpers

Im Groß­hirn wer­den die Infor­ma­tio­nen in der Seh­rinde ver­ar­bei­tet. In der pri­mä­ren Seh­rinde, wel­che sich am hin­te­ren Ende des Gehirns befin­det, wird das gese­hene Bild zunächst abge­bil­det. In der sekun­dä­ren Seh­rinde wird das Gese­hene erkannt und mit­hilfe ande­rer Gehirn­areale ver­knüpft. So wird bei­spiels­weise mit­hilfe des benach­bar­ten Parie­tal­lap­pens aus ein­zel­nen Buch­sta­ben ein gele­se­nes und ver­stan­de­nes Wort und es kön­nen Reak­tio­nen auf das Gese­hene erfolgen.

Aus­fälle oder Defekte eines Abschnitts der Seh­bahn oder auch von Struk­tu­ren im Auge füh­ren zu bestimm­ten Gesichts­feld­aus­fäl­len. Ist der Seh­nerv beschä­digt, zeigt sich dies als Aus­fall des hal­ben Seh­felds. Defekte der pri­mä­ren Seh­rinde sind hin­ge­gen meis­tens nur als klei­ner schwar­zer Punkt im gese­he­nen Bild zu erken­nen (5, 6).

Zusammenfassung

Der Wahr­neh­mung von visu­el­len Ein­drü­cken lie­gen kom­plexe Mecha­nis­men zu Grunde. Von der initia­len Regu­la­tion von Licht­ein­fall und ‑bre­chung, über die Umset­zung von Licht in elek­tri­sche Impulse, bis hin zur bewuss­ten Wahr­neh­mung von Bil­dern: Der Seh­sinn ver­bin­det uns auf eine fas­zi­nie­rend durch­dachte Art mit unse­rer Umwelt.

Quellen

  1. Kurz­lehr­buch Neu­ro­ana­to­mie. Schmei­ßer M, Schu­mann S, Hrsg. 2., voll­stän­dig über­ar­bei­tete Auf­lage. Stutt­gart: Thieme; 2020. doi:10.1055/b‑004–132208
  2. Duale Reihe Ana­to­mie. Aumül­ler G, Aust G, Con­rad A, Engele J, Kirsch J, Maio G, May­er­ho­fer A, Mense S, Rei­ßig D et al., Hrsg. 5., kor­ri­gierte Auf­lage. Stutt­gart: Thieme; 2020. doi:10.1055/b‑007–170976
  3. Vista Augen­pra­xen und Kli­ni­ken: Wie sel­ten sind grüne Augen? vista​.ch (abge­ru­fen am 28.03.2023)
  4. Srid­har MS. Ana­tomy of cor­nea and ocu­lar sur­face. Indian J Oph­thal­mol. 2018 Feb;66(2):190–194. doi: 10.4103/ijo.IJO_646_17. PMID: 29380756; PMCID: PMC5819093.
  5. Duale Reihe Phy­sio­lo­gie. Beh­rends J, Bischof­ber­ger J, Deutz­mann R, Ehmke H, Frings S, Griss­mer S, Hoth M, Kurtz A, Leip­zi­ger J et al., Hrsg. 4., unver­än­derte Auf­lage. Stutt­gart: Thieme; 2021. doi:10.1055/b000000462
  6. Phy­sio­lo­gie. Pape H, Kurtz A, Sil­ber­nagl S, Hrsg. 9., voll­stän­dig über­ar­bei­tete Auf­lage. Stutt­gart: Thieme; 2019. doi:10.1055/b‑006–163285