Diabetes wird von vielen Menschen gerne noch als eher harmlose “Zuckerkrankheit” gesehen. Auch die nach wie vor gebräuchliche Bezeichnung als Altersdiabetes verharmlost die Erkrankung. Dabei sind die Folgen eines Diabetes schwerwiegend und schränken die Lebensqualität massiv ein. Zu den weniger bekannten Folgen gehört dabei die diabetische Retinopathie.
Was versteht man unter einer diabetischen Retinopathie?
Diabetes mellitus ist eine Stoffwechselerkrankung, die zu dauerhaft erhöhtem Blutzucker führt. Der Blutzuckerspiegel wird nicht mehr richtig kontrolliert und es kommt zu Schäden in vielen Organen, darunter auch dem Auge (1). Bei der diabetischen Retinopathie kommt es zur Schädigung der Blutgefäße des Auges. Dies führt zu Sehstörungen und Betroffene erblinden im schlimmsten Fall.
Man differenziert mildere und sogenannte proliferative Verläufe der Krankheit. Bei den besonders schweren Formen kommt es zu einer starken Vermehrung von Blutgefäßen in der Netzhaut. Diese sind jedoch sehr fragil und reißen schnell ein. Kommt es zu solchen Verletzungen, so läuft viel Blut in den geleeartigen Glaskörper im Innern des Auges. Das führt zu Sehstörungen bis hin zur Blindheit (2).
Je nach Schwere der Erkrankung fallen die Symptome unterschiedlich aus. In den frühen Stadien verursacht die diabetische Retinopathie meist keine Beschwerden. In den Folgestadien treten dann häufig verschwommenes Sehen, schlechte Nachtsicht, Flimmern, Flackern und Schatten im Blickfeld auf. Auch Farbveränderungen oder Schmerzen im Auge sind möglich.
In manchen Fällen verläuft die Krankheit auch komplett asymptomatisch und wird erst bei einer ärztlichen Untersuchung entdeckt. Daher sind regelmäßige Augenuntersuchungen sehr wichtig (3).
Was ist Diabetes?
Diabetes mellitus beschreibt verschiedene Stoffwechselerkrankungen, die alle zu hohen Blutzuckerwerten führen (4). Insulin wird in den Blutkreislauf abgegeben, wenn der Blutzuckerspielgel ansteigt. Es bindet an spezifischen Rezeptoren und signalisiert dem Körper, dass Zucker als Energiequelle in die Zellen aufgenommen werden soll (5).
Man unterscheidet zwischen Typ‑1 und Typ‑2 Diabetes. Typ‑1 Diabetes ist eine Autoimmunerkrankung, die durch einen absoluten Mangel von Insulin verursacht wird. Die Bauchspeicheldrüse produziert kein Insulin und Betroffene erleben Symptome meist schon in relativ jungem Alter. Da es keine Heilung gibt, muss ein Leben lang Insulin verabreicht werden.
Typ‑2 Diabetes entsteht durch eine Insulinresistenz der Zellen. Wenn der Körper über Jahre viel Insulin produziert, kommt es vor, dass die Zellen nicht mehr auf Insulin reagieren. Die Bauchspeicheldrüse produziert dann zwar ausreichende Mengen, das Hormon kann jedoch nicht wirken. Die Hauptursachen sind Übergewicht, Bewegungsmangel und eine unausgeglichene Ernährung (4).
Wie entsteht eine diabetische Retinopathie?
Eine Diabetische Retinopathie entwickelt sich als Folge von Diabetes. Besonders bei Patienten mit unzureichender Blutzuckerkontrolle kommt es häufig zu Augenkomplikationen. Ist der Blutzuckerspiegel langfristig zu hoch, führt dies zu Schäden an den Blutgefäßen der Retina. Dadurch kommt es zu einer Ausbreitung von neuen, schwächeren Blutgefäßen, die leicht brechen und zu Blutungen im Auge führen.
Diabetische Retinopathie kann bei Typ‑1 und Typ‑2 Diabetes unterschiedliche Entstehungsmechanismen aufweisen. Bei Typ‑1 tritt die Augenerkrankung meist erst nach zehn Jahren auf. Betroffene von Typ‑2 Diabetes weise hingegen oft schon bei der Diagnose eine milde diabetische Retinopathie auf (6).
Wie schadet der Blutzucker dem Auge?
Bei dauerhaft erhöhtem Blutzucker schädigt Glucose die innere Auskleidung der Blutgefäße und macht sie somit durchlässig. Es kommt zu einer Flüssigkeitsansammlung im umliegenden Gewebe, auch Ödem genannt.
Auch die Zellen, die die Blutgefäße von außen umranden, werden geschädigt. Da diese normalerweise die Gefäße stützen, führt das zu kleinen Ausstülpungen in den Gefäßwänden, in denen sich Blut ansammelt.
Durch die Schädigung der Blutgefäße kommt es an der Netzhaut zu einer Unterversorgung mit Sauerstoff und Nährstoffen. Dies hat zur Folge, dass sich neue, fragile Blutgefäße bilden, die brechen und zur Vernarbung des Gewebes führen.
Wird dieser Zustand nicht früh genug erkannt, kann das zum Verlust der Sehfähigkeit und zum Erblinden führen (7,8,9).
Die diabetische Retinopathie hängt wie kaum eine andere Krankheit von ihrer systemischen Grunderkrankung ab. Kontrollieren Diabetes-Erkrankte nicht regelmäßig ihren Blutzuckerspiegel, erhöht dies das Risiko auf diabetische Retinopathie deutlich.
Auch die Dauer der Diabeteserkrankung hängt stark mit dem Risiko zusammen. Wird bei einem jüngeren Mensch Diabetes diagnostiziert, ist das Risiko auf die Augenerkrankung deutlich geringer als bei einem Langzeitdiabetiker.
Neben einem unkontrollierten Blutzuckerspiegel ist auch ein erhöhter Blutdruck schädlich bei Betroffenen. Damit haben häufig Schwangere zu kämpfen, da sich der Blutdruck während der Schwangerschaft meist automatisch erhöht.
Wie bei nahezu jeder Erkrankung, erhöht auch Rauchen das Risiko auf eine diabetische Retinopathie. Der Rauch steigt in die Augen und reizt diese zusätzlich (7,10).
Diagnose und Therapie
Ob ein Diabetiker an einer diabetischen Retinopathie leidet, wird bei einer umfassenden Augenuntersuchung festgestellt. Dabei gibt es mehrere Tests, die den Zustand der Blutgefäße und den Grad der Netzhautschädigung erfassen.
Zum einen wird mit diversen Tests die Sehschäfte gemessen. Will man jedoch spezifischer auf die Netzhaut schauen, so wird eine Fluoreszenzangiographie durchgeführt. Dabei wird ein spezieller Farbstoff in die Armvene gespritzt, der dann durch den Blutkreislauf in die Augengefäße gelangt. Dadurch wird die Durchblutung der Netzhaut bestimmt und bereits bestehende Risse werden entdeckt (11).
Eine weitere Methode, den Zustand der Netzhaut zu beurteilen, ist die optische Kohärenztomographie (OCT). Dabei wird ein hochauflösendes Querschnittsbild erzeugt, welches die Netzhaut und den Glaskörper abbildet und dort Flüssigkeitseinlagerungen detektiert (12).
Neben diesen Tests werden auch die Blutwerte und der Blutzucker bestimmt. Dadurch wird das Risiko für eine diabetische Retinopathie genauer bestimmt und man kann die Patienten beraten (13).
Je nach Schweregrad der Erkrankung richtet sich auch die Therapie. In den frühen Stadien der diabetischen Retinopathie reicht vorerst eine ausreichende Kontrolle des Auges. In späteren Stadien kann es notwendig sein, das Auge zu operieren und Medikamente einzunehmen. Durch eine Laserkoagulation werden kleine Blutgefäße an der Netzhaut verödet. Damit wird der Flüssigkeitsaustritt gestoppt und es bildet sich kein Ödem am Glaskörper (14).
Auch Anti-VEGF-Medikamente werden oft als nicht-invasive Maßnahme verwendet. Sie verhindern oder verlangsamen die Bildung neuer Blutgefäße und reduzieren somit die Schwellung im Auge (15).
Diabetischer Retinopathie vorbeugen
Ein wichtiger Schritt, um diabetischer Retinopathie vorzubeugen, ist eine gute Diabetes-Kontrolle. Regelmäßige Kontrollen des Blutzuckerspiegels und Blutdrucks verhindern, dass diese steigen und die Gefäße der Netzhaut schädigen.
Diabetiker sollten außerdem zu regelmäßigen Augenuntersuchungen gehen, um etwaige Veränderungen der Blutgefäße festzustellen.
Auch ein hoher Cholesterinspiegel steigert das Risiko einer diabetischen Retinopathie. Daher sollte dieser auch regelmäßig gemessen und gegebenenfalls behandelt werden.
Vor allem gesunde Ernährung und viel Bewegung sind sehr wichtig. Dadurch lassen sich Blutzuckerspiegel, Blutdruck und auch die Cholesterinwerte verbessern.
Um zu verhindern, dass der Betroffene unter den Krankheitsfolgen leidet, sind regelmäßige Arztbesuche und die passende Medikation unumgänglich (16).
Die beste Maßnahme, um diabetischer Retinopathie vorzubeugen, ist jedoch, Diabetes vorzubeugen. Typ‑1 Diabetes ist eine angeborene Krankheit und kann damit nicht verhindert werden.
Typ‑2 Diabetes entsteht jedoch häufig aus einem ungesunden Lebensstil heraus. Daher sollte man auf eine gesunde Ernährung und ausreichend Bewegung achten. Liegt eine Fettleibigkeit vor, so erhöht sich das Risiko stark, an Typ‑2 Diabetes zu erkranken. Auch Rauchen und übermäßiger Alkoholkonsum tragen dazu bei (17).
Fazit
Eine diabetische Retinopathie beschreibt die Neubildung von schwachen Blutgefäßen im Auge, die brechen und somit zu Flüssigkeitseinlagerungen führen können. Dadurch wird die Sicht beeinträchtigt und es kann sogar zum Erblinden kommen. Ursache dafür ist ein langfristig erhöhter Blutzuckerspiegel, der durch Diabetes verursacht wird. Festgestellt wird die Fehlsichtigkeit bei einer Augenuntersuchung. Um einer diabetischen Retinopathie vorzubeugen ist es wichtig, den Blutzuckerspiegel gut zu kontrollieren, um einen starken Anstieg zu vermeiden. Außerdem sollten sich Betroffene um einen gesunden Lebensstil mit ausreichend Bewegung und guter Ernährung bemühen.
Quellen
- Diabetes (who.int) (29.4.2023)
- Retinopathie (diabetische) | diabetesDE — Deutsche Diabetes-Hilfe (29.4.2023)
- Ursachen, Symptome und Risikofaktoren einer diabetische Retinopathie (augenaerzte-in-duesseldorf.de) (29.4.2023)
- Diabetes mellitus Typ 1 und Typ 2 | BMG (bundesgesundheitsministerium.de) (1.5.2023)
- Startseite: Deutsche Diabetes Gesellschaft e.V. (ddg.info) (1.5.2023)
- Das A. Diabetic Retinopathy: Battling the Global Epidemic. Invest Ophthalmol Vis Sci. 2016 Dec 1;57(15):6669–6682. doi: 10.1167/iovs.16–21031. PMID: 27936469; PMCID: PMC5152562.
- Agostini, H., Martin, G. & Ziemssen, F. Pathomechanismen der diabetischen Retinopathie. Diabetologe 14, 542–549 (2018). https://doi.org/10.1007/s11428-018‑0409‑9
- Thieme E‑Books & E‑Journals (thieme-connect.de) (2.5.2023)
- Wang, W.; Lo, A.C.Y. Diabetic Retinopathy: Pathophysiology and Treatments. Int. J. Mol. Sci. 2018, 19, 1816. https://doi.org/10.3390/ijms19061816
- Diabetic Retinopathy: Causes, Symptoms, Treatment — American Academy of Ophthalmology (aao.org) (3.5.2023)
- Fluoreszenzangiographie | Ratgeber Makula (ratgeber-makula.de) (3.5.2023)
- Optische Kohärenztomographie (OCT) — augencentrum-dresden.de (3.5.2023)
- Global report on diabetes (who.int) (3.5.2023)
- Die Laserkoagulation bei Netzhauterkrankungen (augenchirurgie.clinic) (3.5.2023)
- Anti-vaskulärer endothelialer Wachstumsfaktor (Anti-VEGF)-Medikamente zur Behandlung von diabetischem Makulaödem | Cochrane (3.5.2023)
- Diabetische Retinopathie — Augenkrankheiten — MSD Manual Ausgabe für Patienten (msdmanuals.com) (4.5.2023)
- 11 Tipps zur Prävention | Deutsche Diabetes Stiftung (4.5.2023)